5 Millionen Kranke wegen psychischer Probleme und immer noch kaum Prävention und kein System für die Menschen!

— 05. März 2020

Was ist los in Deutschland?

Als ich vor ein paar Jahren seelisch an meinem Tiefpunkt angekommen und in eine schwere psychische Krise gestürzt bin, habe ich beschlossen meine eigene Mission zu starten und über das Thema psychische Erkrankung und mentale Gesundheit aufzuklären. Ich will Menschen eine Stimme geben, die selbst nicht die Kraft haben, sich um ihre Situation zu kümmern und ihnen helfen, gesund zu werden.

Wenn man, wie ich, die Suche nach Hilfe und Unterstützung, einer Klinik, die Heilung nach der Klinik, also den Weg der Genesung, durchhat, kann man eigentlich nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und sich wundern: Wie ist es möglich, dass wir alle, besonders die Verantwortlichen, die wachsende Anzahl an Bedürftigen nicht sehen? Und dabei ist es völlig egal, ob es durch die Umstände in unserer Gesellschaft mehr werden, oder weil sich immer mehr trauen, sich behandeln zu lassen. Fakt ist: Es werden in beiden Fällen einfach immer mehr. Viel mehr!

Wenn ich dagegen darüber nachdenke, was wir in den letzten 20 Jahren alles für das Thema Rücken getan haben, das bis 2020 Volksleiden Nummer 1 in Deutschland: Da gibt es eine flächendeckende Versorgung davor, währenddessen und danach. Nicht zu vergessen die eigene Prävention durch regelmäßigen Sport und das riesige Angebot an Freizeitsport- und Fitnesseinrichtungen.

Die Belastung im Bereich der mentalen Gesundheit wurde in den letzten 20 Jahren immer weiter hochgefahren: Mehr Effizienz bei der Arbeit, schnellere Erreichbarkeit durch E-Mail, Internet, Mobilfunk, alles wird immer schneller. Auch die Erwartung an jeden Einzelnen, immer schneller zu reagieren und zu antworten. Und da wundern wir uns, warum immer mehr Menschen kurz oder länger ausfallen und sich mit Depressionen, Burnout, Belastungsstörungen und anderen psychischen Erkrankungen rumschlagen müssen?

Nach zweieinhalb Jahren kam ich zu dem Punkt, an dem gar nichts mehr ging. Katastrophale Jahre, in denen von außen nichts passiert und auch nichts angeboten wird, außer einmal pro Woche eine Therapiestunde und vielleicht Medikamente – Wenn man denn nach 5 Monaten überhaupt einen Therapieplatz bekommt oder ein Rezept… Überlegen Sie mal, was es da alles beim Thema Rücken gibt: Einen Termin beim Orthopäden oder beim Physio bekommt man doch praktisch sofort!

Dann wird aus einer einfachen Depression schnell eine schwere. Begleitet und verstärkt von zusätzlichen Erkrankungen und Nebenerscheinungen wie zum Beispiel suizidale Gedanken. Ja, richtig gelesen! Suizidale Gedanken sind in 70 % der Fälle eine typische Nebenerscheinung von schwerer Depression. Wie krass ist das bitte?

Und die Therapeuten nehmen keine Patienten mehr auf. Dabei sind das überwiegend Patienten mit einfacheren psychischen Störungen, die damit die Kliniken verstopfen, sodass die Betten dann auch dort voll sind.

Wenn man es dann aber doch endlich in eine Klinik geschafft hat, weil es Ärzte, Freunde, Angehörige oder Therapeuten empfohlen haben, weil man ein Notfall ist und man drauf gehört hat, oder weil man, wie in meinem Fall, am Ende jeglicher Kraft war und einfach selbst hin gehen will, dann kann es sehr gut werden!

Meine 6 Wochen in der Klinik waren intensiv, lehrreich und gut, da ich ein ausgesprochen gut geführtes Haus vorgefunden habe, das die Lage des einzelnen Menschen in den Vordergrund stellt und diese so deutlich verbessert. Wenn man es selbst will!

Und glauben Sie nicht, dass das selbstverständlich ist. Es sind viel mehr Menschen in diesen Kliniken, die damit kämpfen, Wege und Lösungen überhaupt anzunehmen, als Sie denken. Das Gegenteil sollte der Fall sein. Die Zeit in der Klinik soll gut sein. In meinem Fall war sie klasse. Aber es gibt auch immer wieder Berichte von Patienten, dass Kliniken schlecht seien und der Aufenthalt dort sich nicht lohnt. Das hört man leider oft.

Und jetzt kommt der große Fuck up – einfach mal sacken lassen: Die Rückfallquote von Menschen, die in einer solchen Klinik gewesen sind, liegt bei 80 %! Da kann ich ja gleich drinbleiben. 80 %! Wie krass ist das denn? Liebe Kliniken, liebe Krankenkassen, liebes Gesundheitssystem, liebe Politiker, 80 %! Da frag ich mich, ob Ihr nicht rechnen könnt?

Ich hab am eigenen Leib erfahren, warum das so ist. Der Grund ist die Phase nach der Klinik. Diese Phase ist ein extrem wichtiger Schlüssel für den weiteren Weg, wenn nicht sogar der entscheidende nach der langen Zeit in der Klinik. Und wissen Sie, was genau passiert? Eigentlich nichts!

Wenn man Glück hat, bietet die Klinik ein kurzes Nachsorgeprogramm an, wie bei mir. Ich durfte noch zwei Wochen lang, quasi als externer, zu Gruppensitzungen kommen oder ein paar andere Leistungen in Anspruch nehmen. Ich hab das damals nicht gemacht, weil ich das Thema Klinik positiv abschließen und durchschnaufen wollte, um mir zu überlegen, was ich genau als Nächstes machen will.

Man hat uns in der Klinik mehrfach gesagt, man solle sich gut auf die Zeit danach vorbereiten, denn dann käme die wirkliche Prüfung. Wenn man wieder dahin zurück muss, wo man nicht mehr funktioniert hat.  Denn entweder will man mit neuem Elan zurück und so einiges endlich richtig machen oder man muss sehr viel mehr an seiner Welt ändern. Dann wird es noch schwieriger, da wir ja alle ab einem gewissen Alter einiges an Verantwortung und Aufgaben mit uns schleppen, angefangen bei der Arbeitsstelle, weiter mit Familie, Frau, Kindern, finanzielle Belastungen, Kredite und vieles mehr.

Bis heute habe ich keine Firma, Arzt, Angebote oder Fachbücher gefunden, die einem bei diesem Weg nach einer solchen Krise, bei der man quasi den Restknopf gedrückt hat, gut weiterhelfen. Deswegen habe ich schon nach der Klinik begonnen, mir dazu einiges aufzuschreiben und daraus ein Programm zu entwickeln.

Von ärztlicher Seite sind Sie nach der Klinik meistens erst mal weiter krankgeschrieben, gehen wieder maximal einmal die Woche zum Therapeuten und/oder regelmäßig zur Kontrolle zum Psychiater und suchen sich irgendwie selbstständig Dinge, die helfen könnten. Und das genau ist der Punkt: Da gibt es zwar einiges, aber kein Buch, keine Broschüre oder eine Anleitung mit einer guten Auswahl, was man alles machen könnte und wie man die nächste Zeit planen sollte. Einfach nichts wirklich gut greifbares, nichts strukturiertes. Und wenn ich bedenke, wie intensiv ich mich nach der Klinik mit genau dieser Frage beschäftigt habe… Neun Monate lang fulltime, bis ich wieder richtig belastungsfähig war und den Alltag gut bewältigen konnte.

Bei einem komplizierten Fußbruch wird man direkt operiert, lässt den Fuß ein paar Wochen ruhen, geht nach Hause, noch ein paar weitere Woche in die Reha, zum Wiederaufbau, und gut ist.

Wo bitte werden denn wir nach den ganzen mentalen Krisen und psychischen Erkrankungen wiederaufgebaut? Alleine zuhause? Einmal die Woche beim Therapeuten? Das war es an Unterstützung? So wird das nichts und die Zahlen sprechen Bände!

80 % Rückfallquote. Die Zahl habe ich an der UNI Erlangen erfahren und mein Psychologe und verschiedene Fachberater haben sie mir bestätigt. Klar liegt das auch an den Menschen, die sich in den Kliniken nicht perfekt verhalten, sich nicht auf das Angebot dort einlassen und auch nicht glauben, dass das alles hilft. Und ganz ehrlich, als ich auf meinem Stundenplan in der Klinik Kunsttherapie und Ergo-Gruppe gelesen habe, hat sich mir auch die Frage gestellt: „Das soll helfen?“, aber ich habe mir auch sofort gesagt: „Ich habe hier ein gutes Gefühl und wenn die nicht wissen was sie tun, dann bin ich im Arsch. Wie soll ich denn sonst gesund werden?“.

Also liebe Politiker, Gesundheitsämter, Gesundheitsminister, Ärzte, Verbände, Gremien und alle, die was mit dem Thema mentale Gesundheit zu tun haben und vor allem, was tun können: Wir brauchen hier eine echte Nachsorge. Denn die gibt es faktisch fast nicht!

Wir bei Just George werden diese ab 2022 anbieten: Seminare, Kurse und eine jährliche Roadshow durch Deutschland. Um aufzuklären, zu helfen und wirkliche Nachsorge-Maßnahmen für die Menschen zur Verfügung zu stellen, die es brauchen, und das am besten flächendeckend in ganz Deutschland.

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